Mein Leben am Fluss
1954 wurde ich in einem kleinen Dorf in der Rhön geboren.
1974 begann ich an der Pädagogischen Hochschule Hannover ein Lehramtsstudium mit den Fächern Kunst und Werken – meinen Leidenschaften. Doch in Hörsaal und Seminarraum fand ich nicht meinen Weg. Erst durch die Fülle von Schätzen, die ich in der Natur entdeckte, entstanden Bilder und Objekte in meinem Kopf und ich experimentierte mit den Techniken, die sie verlangen.
1976 besetzen wir – eine Gruppe junger Menschen – das Lichtenmoor bei Nienburg, einen der drei Salzstöcke, die als Standort für ein Atommüllendlager erkundet werden sollten, bevor die Wahl auf Gorleben fiel.
Ein Netzwerk entstand: Freunden, Bauern, Anwohnern gelang es, durch die ein Jahr andauernde Besetzung des Bohrungsgeländes dieses Vorhaben zu verhindern.
Mit sieben anderen jungen Menschen habe ich dabei den wunderbaren Ort Neumühlen gefunden, eine leerstehende Mühle mit Bauernhaus. Mitten in der Natur, umgeben
von Wald- und Marschlandschaft gehörte es zu unserem Selbstverständnis,
sie für uns und unsere Kinder zu bewahren.
Hier in Neumühlen begann mein wirkliches Studium. Lernen durch Tun, Materialien erkunden, an handwerkliche Techniken herantasten. Verflechten von Gräsern, Binsen, Weiden, Stängeln. Fäden spinnen, Wolle pflanzenfärben, zeichnen, malen … eine Fülle. So entstand langsam meine „Werkstatt am Fluss“.
Bei der Entstehung eines Objektes gibt es immer wieder den spannenden Moment,
in dem eine Idee, ein gestalterischer Impuls auftaucht - meine Hände zeigen mir den Weg. Die Grenzen zwischen Handwerk und Kunst sind fließend, verschieben sich,
das Eine wächst aus dem Anderen.
Zwanzig Jahre lang begleitete mich das Weben.
Innere Bilder wuchsen auf dem Webstuhl zu Wandteppichen (z.B. „Die arme Seele
will hinaus“, entstanden 1986-1996 aus pflanzengefärbter und handversponnener Wolle). Aber die Wolle lief auch für Schafwollteppiche zum täglichen Gebrauch
durch meine Hände.
Dann fand die Seide zu mir. Seit Jahren beschäftigt mich dieses fließende Material.
Ich tauche ein in die Tiefe der Farben, verarbeite es zu Schals und Objekten
wie den Lampen in unserem 250 Jahre alten Eingangsflet.
Ich empfinde es als Glück, von meinem Hand-Werk zu leben und den Wegen zu folgen,
die es mir eröffnet. Seit dem Jahr 2000 führt mich der Fluss meiner Werkstatt
immer stärker auf „Die andere Seite“.
Ich befasse mich mit Materialien, die ich in der Umgebung finde, mit Hölzern, Steinen, Blättern und Rinde:
- so fügt sich die orangerot-leuchtende Sägescheibe einer gefällten Erle zu einem Schubladenbild „Erlenmond“
- die zarten Gerippe von Pappelblättern fügen sich zu einem Vorhanggespinst zusammen
- aus der Borke einer umgestürzten Pappel entsteht ein Fischschwarm
- aus dem Pappel - Kambium wird ein „Kranich“-Objekt.
In der Arbeit mit diesen Fundstücken suche ich eine Sprache, die meinen Respekt
vor der Schönheit, der unendlichen Vielfalt und den immer wiederkehrenden
Wundern der Natur ausdrückt.



